Kommunikationschef einer NGO, Zürich
Uns wurde gesagt: Pass auf! Wenn du im Sandkasten eine Spritze findest, dann fass sie auf keinen Fall an. Ich war zehn Jahre alt, als der Platzspitz geräumt wurde. Damals hiess es: «Nimmst du Drogen, dann wirst du süchtig, und dann bist du tot!» Die Hälfte meines Lebens hatte ich dieses kulturelle Normbild verinnerlicht. Erst heute verstehe ich, wie undifferenziert dieses Bild ist. Diese Wahrnehmung hat mehr mit Kultur zu tun als mit dem wissenschaftlich messbaren Risiko.
Einige der interessantesten Erfahrungen meines Lebens habe ich Drogen zu verdanken. Ich mag Räume ausserhalb der Normalität des Alltags. Ich habe wenig Angst, schäme mich nur selten und mag es, mich fallen zu lassen. Das sind für mich magische Momente, in denen ich die Zeit vergesse. Das kann eine Party mit elektronischer Musik, aber auch ein Punkkonzert oder ein Karaoke-Abend mit viel Bier sein. Ich kreiere gerne etwas mit Menschen, die mir lieb sind – auch mit Substanzen.
Wieso nein sagen zu etwas, das schön ist und Spass macht? Fröhliche Beschwingtheit am Freitag bei einem Feierabendbier: gerne. Kaffee im Büroalltag: unbedingt! Mit meiner Frau knutschen auf MDMA: wunderschön. Gibt es etwas Sinnvolleres im Leben, ausser Gutes zu tun und anderen und sich selbst nicht zu schaden?
Beim ersten Mal war ich 20 Jahre alt. Ein guter Freund erzählte mir von einer Psilocybin-Studie an der Psychiatrischen Universitätsklinik. Wir sahen uns das an und dachten: unglaublich! Da wirst du von Ärzten begleitet, bekommst reinsten Stoff, toll! Wir waren neugierig, hatten aber auch Respekt. Und diese Studie war die perfekte Möglichkeit, um es zu probieren. Wir mussten mit Kabeln auf dem Kopf Fragebögen ausfüllen und der Ventilator der Lüftung liess gerasterte Farbbänder durch den Raum schweben. Ich fand es interessant, lustig und komisch. Und es machte Lust auf mehr.
Seither habe ich vielleicht so 20-mal LSD genommen. Alle meine Erfahrungen waren einzigartig. Mich interessiert das Spektrum der möglichen Zustände. Unsere Wahrnehmung ist unsere persönliche Sicht auf die Welt. Sie wird durch unsere Sinne gefiltert. Mit Substanzen können wir diese Filter umstellen.
Im Moment stecke ich gerade in der rush hour des Lebens. Wir haben ein kleines Kind. Ich renne durch meinen Alltag und konsumiere höchstens zwei oder drei Mal pro Jahr. Wir organisieren uns, wechseln uns ab und schaffen bewusst Räume für diese Erlebnisse. Das will ich in Zukunft wieder mehr machen. Es ist für mich nicht gefährlich oder destabilisierend – eher das Gegenteil. Ich kann davon später im Alltag zehren.
Generell bin ich ein neugieriger, aber auch sicherheitsorientierter Mensch. Ich mische nie Substanzen. Ich bin nicht der Typ, der sich im Club einfach so eine line reinzieht. Das hat mich bis jetzt vor negativen Erfahrungen geschützt. Für mich gibt es nur ein Gegenargument zum Konsum: die Gesundheit. Ich will wissen, was und wie viel ich nehme, um mich nicht zu gefährden. Zu hoch dosiertes MDMA fühlt sich unangenehm an. Koks will ich nicht regelmässig konsumieren, denn das macht dich langfristig selbstbezogen. Heroin würde ich nicht probieren.
Ich habe über längere Zeit in der Suchtprävention gearbeitet. Dort ist das Ziel nicht, Konsum per se zu verhindern, sondern Abhängigkeiten. Aus dieser Perspektive bin ich quasi ein Vorzeigekonsument. Wenn man das Prinzip der Schadensminderung ernst nimmt, könnte man bei mir sagen: psychisch stabil, nur Gelegenheitskonsument, keine Alltagsbeeinträchtigung oder riskanter Mischkonsum – wunderbar. Trotzdem hätte ich meinem Chef nie von meinem Konsum erzählt. Das ist irgendwie absurd.
Die Schweiz würde idealerweise so etwas wie die Alkoholläden in Schweden aufbauen. Der Staat könnte Substanzen verkaufen, sauber hergestellt, fair produziert und getestet. Beim Kauf wirst du beraten und informiert. Dazu gehört auch eine konsequente Aufklärung in den Schulen. Man könnte auch eine kleine Ausbildung obligatorisch machen – quasi einen Konsumführerschein. Gewisse Substanzen könnte der Staat aufgrund des Gefährdungspotentials verbieten. Aber die staatliche Regulation muss nach wissenschaftlichen Kriterien geschehen. Das ist heute nicht der Fall.
Mein heutiger Konsum von Substanzen ist weniger schädlich, als wenn ich an einem Abend acht gin tonics trinke. Ich betrinke mich nicht mehr auf diese Art. Ich werde auch nie rauchen – mein Vater ist daran gestorben. Nikotin ist die dümmste Droge überhaupt. Du hast keinen Flash, es ist gesundheitsschädigend und sauteuer ist es auch noch. Ich verstehe das einfach nicht. Ich kenne Leute, die ständig rauchen, aber riesige Widerstände haben und sofort blockieren, wenn ich mit ihnen über meinen Konsum von Substanzen sprechen will. Die haben das klassische Bild: Drogen nehmen, süchtig, tot! Dabei rauchen sie!
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