Selma
, 41

Aktivierungsfach­­frau im Pflegeheim, Bern

Ich würde nie im Leben Schwarzfahren, das halte ich kaum aus. Aber mit Substanzen über die Grenze in die Ferien fahren – kein Problem. Meistens konsumiere ich an Partys. Dann will ich tanzen, tanzen, tanzen. Ich kann gar nicht mehr damit aufhören und will ganz eintauchen in die Musik. Sich selbst gehenlassen ist etwas vom schönsten, was es gibt.

Psychedelische Substanzen konsumiere ich auch bei anderen Gelegenheiten. Manchmal mache ich mit einer engen Freundin Mind-Map-Tage auf MDMA. Wir sitzen im Garten und erarbeiten Vision-Boards, führen lange Gespräche oder machen Übungen aus der Schematherapie.

Letztes Wochenende war mein Onkel aus Übersee zu Besuch. Zusammen mit seinem Sohn haben wir im Eichholz an der Aare Pilze genommen. Ein kleiner Familientrip sozusagen.

Als ich jung war, ging ich an freien Tagen manchmal auf Speed in die Ikea. Das war lustig. Heute finde ich wellnessen etwas vom besten. Kürzlich war ich mit einer Freundin auf LSD im Thermalbad. Wir sassen draussen in diesem Sprudelbecken, in den Wolken sah ich kaleidoskopische Muster, dazu die Sprudel auf der Haut, das war wunderschön. Eine Weile sassen wir im Dampfbad und danach tauchten wir ins kalte Becken. Das Gefühl des eiskalten Wassers auf der Haut – unbeschreiblich!

Die nüchternen Leute um uns herum stören mich in solchen Momenten nicht. Die kommen ja nicht auf die Idee, dass jemand um sie herum am trippen sein könnte. Nur zwei Jungs haben uns auffällig zugezwinkert, die haben wohl gemerkt, dass wir etwas genommen haben.

Ich bin ausgebildete Sozialpädagogin und arbeite mit alten Menschen im Pflegeheim. Wir basteln zusammen, erzählen Geschichten und sind kreativ. Es geht darum, dass sie das Gedächtnis und ihre Sinne aktivieren.

Bei der Arbeit weiss niemand, dass ich konsumiere. Ich erzähle gerne und viel – manchmal versehentlich auch zu viel. Darum wissen meine Kolleg:innen, dass ich auf Festivals unterwegs bin und haben auch schon Fotos von mir gesehen, auf denen ich verkleidet war. Keine Ahnung, was sie sich dabei denken – vermutlich nichts.

Wenn mich jemand bei der Arbeit explizit danach fragen würde, würde ich lügen. Ich habe auch schon abfällige Sprüche über Drogen aufgeschnappt und weiss, wie gewisse Leute im Team dazu stehen. Wenn sie von meinen Erfahrungen wüssten, würden sie mich bestimmt mit ganz anderen Augen sehen. Und mit meinem Chef bekäme ich wohl ernsthafte Probleme.

Meinen Freunden erzähle ich inzwischen offen davon, auch denen, die selbst nicht konsumieren. Die kennen mich und stecken mich deshalb nicht in irgendwelche Schubladen.

Auch mit meinen Eltern kann ich relativ offen sprechen. Die waren Hippies. Bei uns zu Hause im Jura wuchs Hanf im Garten, das Thema war mir also nicht neu. Wenn meine jüngeren Geschwister im Bett waren, habe ich zusammen mit meiner Mutter auf dem Balkon gekifft. Das war unser Ritual nach dem Abwaschen.

Pilze habe ich zum ersten Mal mit meiner besten Freundin und meinem Freund in unserer Berghütte probiert. Ich war 16 und es war wunderschön. Mein Freund, der schon etwas Erfahrung hatte, erklärte uns, dass die Wirkung stufenweise eintritt. Er malte dazu mit seinen Händen eine Treppe in die Luft. Die haben wir alle drei gesehen. Diese Treppe hing da so farbig fluoreszierend vor uns und wir waren sicher, dass wir alle genau dasselbe Bild sahen. Das war für mich ein beeindruckendes und sehr verbindendes Erlebnis.

Ich habe meiner Mutter irgendwann erzählt, dass ich Pilze, LSD und Ecstasy konsumiere. Sie gab mir den Rat, dass ich immer wissen sollte, was ich tue und wo meine Grenzen sind. Diesen Rat befolge ich bis heute.

Generell bin ich eine vorsichtige Konsumentin und nehme lieber weniger als zu viel. Obwohl ich gerne loslasse, möchte ich die Kontrolle nicht ganz verlieren. Das kann ich nur, wenn Set und Setting voll und ganz stimmen, wenn ich mich sicher fühle und weiss, dass Menschen um mich herum sind, die nicht urteilen.

Zwei Mal habe ich in einem solchen safe space bereits mystische Erfahrungen im k-hole gemacht. Das ist ein Zustand von Dissoziation, der durch Ketamin ausgelöst werden kann. Aber solche Momente erlebe ich sehr selten. Ich will eigentlich immer kommunizieren und mich orientieren können.

In der Technoszene nennt man mich Mama Selma. Ich bin für alle da, wenn es mal jemandem nicht gut geht. Ich habe auch schon viele Menschen begleitet, die zum ersten Mal Substanzen ausprobiert haben und wollten, dass ich dabei bin.

Meine Schwachstelle ist ganz klar Speed. Da muss ich etwas aufpassen. Es gab Zeiten, da konsumierte ich von Freitag bis Sonntag und die Linien wurden immer dicker. Das ist mir rückblickend fast ein wenig unangenehm. Ich zog damals für einige Monate nach Lübeck, um eine Pause einzulegen. Das klappte ziemlich gut, dort war überhaupt nichts los.

Ich fand schon immer Wege, um mich vor zu viel Konsum zu schützen. Zum Beispiel würde ich mich an einem Montag nie krankschreiben lassen. Wenn du Party machen kannst, kannst du auch arbeiten, da bin ich strikt! Ich will nicht, dass mich mein Konsum im Alltag einschränkt.

Trotzdem würde ich sagen, dass ich süchtig bin. Ohne Substanzen Party zu machen, das gibt es bei mir nicht. Es macht einfach viel mehr Spass! Und so frage ich mich manchmal schon, warum ich das brauche. Ich habe keine tragische Vorgeschichte. Ich konsumiere nicht, um Probleme zu bewältigen. Und ich konsumiere nur, wenn es mir gut geht.

Wer weiss, vermutlich kompensiere ich damit schon irgendetwas. Aber vielleicht mache ich mir diese Gedanken auch nur wegen des Drucks von aussen.

Text: Elle
Bild: KI-generiert von Levin

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