Raphael
, 39

Grafiker, Zürich

Es hat mich völlig überrascht und war einfach nur schön: Dieses Gefühl eines komplett anderen Zustands und das gedehnte Bewusstsein – so hatte ich das nicht erwartet. Denn die Schule und unsere Eltern hatten uns eingebläut: Nie Drogen nehmen! Drogen waren dämonisiert. Die Erinnerungen an den Platzspitz waren lange präsent. Meine erste Erfahrung mit Ecstasy hat dieses Bild für mich komplett umgedreht. Das Wort «bewusstseinserweiternd» habe ich sofort verstanden.

Ich nehme heute zwei bis drei Mal LSD pro Jahr, oft mit Freunden, draussen in der Natur oder an einer Party. So etwas sollte nicht kriminalisiert werden. Ich habe heute einen guten Umgang mit Substanzen gefunden und Psychedelika sind ein Teil meines Lebensentwurfs. Ich freue mich richtig darauf, das auch im Alter noch machen zu können. Aber es war ein langer und harter Weg. Meine Geschichte zeigt: Als Teenager sollte man besser keine Substanzen konsumieren.

Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Kanton in der ländlichen Schweiz. Damals gab es dort kaum ein Kulturangebot für Jugendliche. Es war die Zeit, als Ecstasy in der Popkultur auftauchte und mir war schnell klar: Das will ich probieren. Wir hörten von klandestinen Techno-Partys bei uns in den Bergen und die interessierten uns natürlich. Wir kifften damals viel und holten das Gras vom lokalen Dealer. Über ihn haben wir dann auch die illegalen Partys gefunden und sind an einer riesigen Goa-Party gelandet. Ich war 15 Jahre alt. Wir kannten niemanden, fanden aber sofort Anschluss und sind Hals über Kopf in die Szene eingetaucht. Der Konsum von Substanzen gehörte wie selbstverständlich dazu.

Wir haben dann, sehr bewusst, viel experimentiert und uns in der Bibliothek Bücher geholt. Die Organisation Eve & Rave hatte schon damals Ratgeber zum sicheren Konsum veröffentlicht. Wir haben uns informiert: Was kann man mischen, was sollte man nicht mischen. Aus dieser Zeit bleiben mir Erlebnisse und Erinnerungen bis heute: Wie wir uns am Sonntag früh, nach einer langen Partynacht, noch einen Trip geschmissen haben und lachend durchs Gras gerollt sind. Wir sind in diesen Erlebnissen aufgegangen. Meine Güte, was haben wir gefeiert! Ich habe mit meinen Freunden unglaublich intensive Jahre erlebt.

Im engeren Freundeskreis gab es jahrelang eine goldene Regel: Alles ist okay, aber Heroin fassen wir nicht an. Viele Jahre später ist es doch passiert. Und es änderte alles. Sofort. Einmal erwachte ich auf Heroin in einem Park, realisierte, dass ich mit einer Schneedecke überzogen war und traf die wichtigste Entscheidung meines Lebens: Ich verliess alles. Meine Freunde, den Job, den Kanton. Ich bin überzeugt, dass mir diese Entscheidung damals das Leben gerettet hat.

Heute kann ich mühelos Nein sagen. Ich bin älter, habe ein gesundes Selbstbewusstsein und kenne meine Grenzen. Substanzen sollten nie Lebensinhalt sein. In meinem Teenageralter waren sie das. Heute kann ich geniessen und brauche den Exzess nicht mehr. Die meisten Leute in meinem jetzigen Umfeld haben Substanzen erst spät entdeckt. Sie stehen mitten im Leben und haben einen viel besseren Umgang damit, als wir damals als Teenager.

Ich mag LSD. Die Trips hallen nach und bereichern mein Leben. Diese Erfahrungen versöhnen mich genauso mit dem Leben wie mit dem Tod. Die Natur ist grösser, als wir ahnen und wir Menschen begreifen sie nur ansatzweise. Ich verstehe mich als Teil des Planeten, des Universums, eingebettet in einen Kreislauf. Unterscheide ich mich von einem Grashalm? It’s the same fabric!

Wenn du denkst, dass jedes Gestrüpp eine Daseinsberechtigung hat, dann gehst du auch mit Menschen anders um. Mein Menschenbild ist heute viel positiver als früher. Und ich bin offener geworden. Ich bin überzeugt: Die Welt wäre besser, wenn jeder Mensch einmal mit Freunden in der Natur LSD ausprobieren könnte.

Unsere Drogenpolitik ist seit den 90er-Jahren stehen geblieben und muss an die Realität angepasst werden. Ein verantwortungsloser Konsum ist mit fast allen Substanzen möglich. Der Staat könnte den Verkauf besteuern. Ich sehe bei so einer Lösung keine Verlierer, sondern nur Gewinner. Es wäre gut für die Gesundheit und es gäbe keinen Schwarzmarkt mehr.

Der Rausch gehört zum Menschen. Die Gesellschaft muss lernen, damit umzugehen. Da, wo ich herkomme, besaufen sich einfach alle. Die Schäden sind immens.

Meine Utopie wäre: Wir könnten Substanzen legal in einer Apotheke holen. Sie wären sauber und genau abgemessen. Ich hätte mir als 17-Jähriger auch eine zehnminütige Standpauke angehört. Als Teenager wäre ich froh gewesen, wenn ich irgendeine Anlaufstelle gehabt hätte. Die Leute haben eine solche Angst, über Konsum zu sprechen. Der Einzige, der mehr wusste als wir, war unser Dealer – nicht gerade die ideale Bezugsperson.

Text: Luis
Bild: KI-generiert von Levin

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