Nina
, 42

Hausärztin mit eigener Praxis, Zürich

Ich bin in einer kleinen Stadt in der Nähe von Zürich aufgewachsen und zog vor vier Jahren nach Zürich. Ich hielt die Kleinbürgerlichkeit dort nicht mehr aus. Die Leute sind unendlich bünzlig und um sieben sind alle zu Hause am Esstisch. Die Stadt ist abends tot.

Dass ich so denke, hat durchaus auch mit meinem Konsum zu tun. Ich habe dadurch offene Menschen kennengelernt und einen toleranten, vielseitigen Freundeskreis aufgebaut. Früher war ich ja selbst ein Bünzli. Ich hielt mich selbst für zu introvertiert, um auszugehen.

Als ich mit 29 die Beziehung mit meinem damaligen Freund beendete, sagte ich mir: «So, jetzt reichts!» Und ging allein in die Zukki. Ich kannte niemanden, trank Bier und realisierte nicht, was um mich herum alles passierte.

Später lernte ich einen Mann kennen, der mir von Anfang an sagte, dass er im Ausgang MDMA konsumierte. Durch meinen Beruf konnte ich damit schon etwas anfangen. Aber ich wusste nicht, was ich persönlich davon halten sollte. Irgendwann bat ich ihn, es mit mir auszuprobieren. Wir gingen in einen Zürcher Club, er gab mir die richtige Dosis, verbot mir Alkohol zu trinken und hielt mir regelmässig ein Glas Wasser hin.

Ich war gut vorbereitet, fühlte mich sicher und genoss das, was die Substanz in mir auslöste, extrem. Das war ein Gefühl, das ich schon lange gesucht hatte. Es war, als wäre ein Schalter in mir umgekippt – und der kippte nie wieder zurück.

Ich konsumiere Substanzen nicht sehr häufig und trotzdem sind sie durchaus wichtig in meinem Leben. Ich konsumiere verschiedenes, kenne LSD, 2C-B, SpeedKetamin und Pilze. Bei Koks mag ich weder die Wirkung, die es auf mich hat, noch die auf andere. Es macht Menschen, die ich normalerweise mag, oft etwas unsympathisch. Und Kiffen ertrage ich nicht, da werde ich paranoid.

Mit MDMA bin ich strikt, das mache ich ganz selten, höchstens drei oder vier Mal pro Jahr. Je länger ich konsumiere, desto niedriger wird meine Dosis. Inzwischen konsumiere ich nur noch 70 bis 80 Milligramm. Nach drei bis vier Stunden nehme ich vielleicht nochmals 20 bis 30 dazu. Ich mag es, wenn eine Substanz mich wegträgt, und ich mag es auch, mich da voll reinzugeben.

Aber wenn ich nicht mehr weiss, was ich tue oder sogar Filmrisse habe, ist das eine Art von Kontrollverlust, den ich gar nicht ertrage. Darum nehme ich lieber weniger. Sobald ich eine Substanz gut kenne, kann ich zudem eine Art Placebo-Rausch abrufen. Ich kann mich der Erinnerung daran so sehr hingeben, dass Freund:innen denken, dass ich voll high bin – und ich auch. Dabei bin ich völlig nüchtern.

In meinem Freundeskreis konsumieren praktisch alle. Natürlich nicht die ganze Zeit, aber es sind alles konsumnahe Leute. Ich tanze sehr gerne und gehe gerne aus – auch nüchtern. Clubs haben sich für mich inzwischen allerdings etwas totgelaufen. Ich besuche eher spezielle Events oder schöne Partys draussen. Im Sommer bin ich oft an Festivals.

Mit meinem heutigen Freund bin ich seit mehr als fünf Jahren zusammen. Als wir uns kennenlernten, hatte er mit Substanzen gar nichts am Hut und verstand nicht, was ich da machte. Das hatte vielleicht auch mit der Musik zu tun. Er war mehr so der Indie-Rock-Typ und Techno sagte ihm gar nichts. Über mich fand er dann langsam Zugang dazu. Irgendwann hatte er seine Vorurteile so weit abgebaut, dass er Lust bekam, es selbst zu probieren. Zum Glück veränderte sich damit auch sein Musikgeschmack. Heute denken alle, er sei der alte Hase, der mich zum Konsum verführt hat.

Inzwischen sind Substanzen ein wichtiges und verbindendes Hobby zwischen mir und meinem Freund geworden. Erst im März erlebten wir zusammen einen sehr intensiven LSD-Trip. Wir waren zu Hause, haben in Ruhe gefrühstückt und dann unsere Tropfen genommen. Anfangs war es erst ziemlich sexuell, später dann wurden wir beide sehr emotional. Wir weinten zusammen und sprachen lange über unsere Beziehung. Wir sind beide zurückhaltende Typen und sagen einander nicht so oft, dass wir einander lieben. Diese intensive Nähe und das gegenseitige Verständnis taten beiden gut.

An LSD mag ich, dass es viel ehrlicher ist als MDMA. Auf MDMA hat man immer sehr viele positive Gefühle jedem gegenüber und kann gar nicht anders, als diese auszudrücken. Ich bin sicher, dass ich da schon einigen Menschen überschwänglich liebe Sachen gesagt habe, die ich sonst nicht unbedingt so empfinde.

LSD ist anders. Es verstärkt eher alle Arten von Gefühlen, die in dir sind. Einen schlechten LSD-Trip hatte ich noch nie. Mir hilft ein alter Tipp von Freund:innen: Wenn du dich in einer Situation unwohl und ausgeliefert fühlst – steh auf und geh. Du bist nie ausgeliefert. Du kannst jederzeit einfach das setting wechseln. Das konnte ich schon mehrfach so reproduzieren. Es hilft mir, mich auch auf schwierige Gefühle während Trips einzulassen, ohne mich von ihnen vereinnahmen zu lassen.

In der Praxis spreche ich nicht über meinen Konsum. Meine jüngeren Kolleg:innen bewegen sich alle in einem anderen Umfeld. Sie haben kein Interesse an Partys und keine Erfahrungen mit Substanzen. Dafür hat ein älterer Kollege kürzlich Anspielungen gemacht. Wir haben dann festgestellt, dass wir beide auf derselben Party waren. Da war alles klar.

Ich glaube, wer selbst den Konsum von Substanzen nicht kennt, käme nie auf die Idee, dass ich konsumiere. Und wer selbst konsumiert, merkt es bei anderen irgendwie.

In der Praxis habe ich immer wieder mit konsumierenden Patient:innen zu tun, allerdings leider vor allem mit denen, die es lieber lassen sollten. Sie konsumieren die gleichen Substanzen wie wir, aber sie haben psychische Probleme und sind arbeitslos. Sie versuchen damit ihre Situation zu erleichtern. In diesen Fällen bräuchte es eine Psychotherapie – nicht den Konsum von Substanzen.

Menschen suchen den Rausch. Das war schon immer so und wird auch so bleiben, egal ob man es verbietet oder nicht. Viele Menschen haben legale Alkoholprobleme, Jugendliche nehmen legale Medikamente als illegale Drogen – und ich als Ärztin konsumiere illegale Substanzen ohne jegliches Suchtproblem.

Text: Elle
Bild: KI-generiert von Levin

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