Michael
, 42

Informatiker, Winterthur ZH

Ich bin in einem kleinen Dorf in Bayern aufgewachsen, wo Cannabis das höchste der Gefühle war. Mit anderen Substanzen war ich nie in Berührung gekommen. Als ich nach dem Studium für meinen ersten Arbeitgeber, eine grosse IT-Firma, nach Zürich zog, wohnte ich ein halbes Jahr mit Tim in einer WG. Tim war der erste Mensch, der mir erzählte, dass er schon einmal LSD konsumiert hatte.

Tims Erzählungen machten mich neugierig. Er ist ein intelligenter und verantwortungsvoller Mensch und er hat eine zurückhaltende und gute Art, darüber zu sprechen. Als er mein Interesse bemerkte, erklärte er mir, dass das setting wichtig sei und dass es gut wäre, beim ersten Mal eine erfahrene Begleitperson dabei zu haben.

Acht Jahre später sprach ich ihn wieder darauf an und bat ihn, mich einmal mitzunehmen. Da war ich 32. Wir mieteten eine kleine Berghütte im Glarnerland und Tim hatte für uns zwei Trips besorgt. Angst hatte ich nicht. Ich vertraute Tim, erachtete mich als psychisch stabil und bin wohl generell ein optimistischer Mensch. Ich hatte mich genug eingelesen, um zu wissen, dass die meisten Substanzen relativ ungefährlich sind.

Tim hatte das Wochenende gut organisiert. Wir verbrachten zuerst einen schönen Abend, er erklärte mir die Wirkung von LSD und wie lange es dauern würde – wir sprachen sehr ausführlich darüber. Am nächsten Morgen nahmen wir auf nüchternen Magen unsere Trips ein: 120 Mikrogramm pro Person. Dann machten wir eine kleine Wanderung auf den Hügel. Es war kalt und um uns herum lag überall Schnee. Ich fror und war enttäuscht, als nach einer knappen Stunde noch immer nicht viel passierte. Ich dachte: «Funktioniert es bei mir etwa nicht? Habe ich zu wenig genommen? Was, wenn ich fast nichts davon merke?»

Und dann begann es. Zuerst veränderte sich die Akustik: Ich nahm alle Geräusche viel intensiver wahr, hörte den Schnee fallen und die Zweige rascheln. Dann begannen die optischen Illusionen und die Gedankenwelt veränderte sich. Das kann man keinem erklären, der es nicht selbst erlebt hat. Es gibt schlicht keine Worte dafür. Es ist, als wollte man einem Blinden die Farben erklären. Als würde man von der dritten in die vierte Dimension eintauchen. Ich war die ganze Zeit über unglaublich gut gelaunt und fasziniert von allem, was mit mir geschah. Wir sprachen wenig, das hatten wir so besprochen und ich war froh, dass ich alles auf mich einwirken lassen konnte.

Nach einer Weile gingen wir zurück in die Hütte. Tim hatte eine playlist vorbereitet und ich genoss es, der Musik zuzuhören. Ein völlig neues Erlebnis – next level. In der Hütte hatte es niedrige Decken mit alten Holzbalken. Deren Holzstruktur hat richtig gewabert und geatmet. Ich lag auf dem Bett, starrte auf das Holz über mir, spürte den Herzschlag dieses alten Hauses und fühlte mich eins mit allem um mich herum.

Meine Frau habe ich mit 16 in einem Sprachaustausch kennengelernt. Wir sind seit 25 Jahren ein Paar. Ihr habe ich erst einige Wochen später davon erzählt. Ich wollte das Erlebnis zuerst für mich alleine verarbeiten. Auch für sie war das Thema völlig neu. Ich sagte ihr, dass sie es unbedingt auch einmal probieren müsse.

Vor zwei Jahren war es dann soweit. Wir waren zu zweit in einem Rustico im Tessin. Weil sie etwas nervös war, habe ich nichts genommen und sie dabei begleitet. Sie hatte eine hohe Dosis genommen und war komplett weg. Ihr Körper habe sich buchstäblich verflüssigt, erzählte sie mir später.

Aber den Trip von jemand anderem nachzuvollziehen, ist fast unmöglich. Wir haben schlicht nicht das Vokabular dazu. Sie war sehr beeindruckt, wohl auch ein wenig überfordert.

Ich habe mir nie überlegt, andere Substanzen zu probieren. Generell ist das kein Thema, das mich sehr beschäftigt oder über das ich im Alltag oft nachdenke. Solche Erlebnisse brauchen Zeit und Raum. Mit drei Kindern und zwei Jobs haben wir beides nicht. Weder meine Frau noch ich haben später jemals wieder konsumiert.

Trotzdem interessiere ich mich seit meinem Trip etwas mehr für das Thema. Ich höre immer wieder neurowissenschaftliche Podcasts und bekomme mit, dass zu psychoaktiven Substanzen mehr geforscht wird. Ich bin der Meinung, dass das Verbot und die Ächtung von «harten Drogen» mehr schadet als nützt. Die Illegalität und der weltweite Kampf gegen Drogenkonsum erzeugen nichts als Leid.

Daher bin ich für eine umfassende Liberalisierung aller Substanzen, gekoppelt an Aufklärung und Hilfe für Suchtkranke.

In meinem Freundeskreis habe ich nie über mein Erlebnis gesprochen. Würde mich jemand danach fragen, würde ich schon davon erzählen. Ich hatte nie das Gefühl, etwas Verbotenes gemacht zu haben. Aber in den Kreisen, in denen ich mich bewege, kommt dieses Thema nie auf. Generell ist es in der Gesellschaft noch immer ein grosses Tabu, obwohl schon langsam eine gewisse Öffnung stattfindet. Vielleicht werden wir irgendwann noch viel offener über Substanzen sprechen können.

Die positive Erfahrung, die ein halluzinogener Trip mit sich bringt, würde ich jedem Menschen wenigstens einmal im Leben wünschen. Denn im Vergleich mit dem banalen Konsum von Marihuana ist ein LSD-Trip tatsächlich bewusstseinserweiternd.

Text: Elle
Bild: KI-generiert von Levin

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