Luca
, 36

Lehrerin am Gymnasium, Basel

Ich habe das Gefühl, im Leben angekommen zu sein. Ich habe seit 13 Jahren denselben Partner, wir haben zwei Kinder und seit diesem Jahr bin ich gewählte Lehrerin an meiner Schule. Wenn ich wollte, könnte ich dort bis zur Pensionierung einen sicheren, gut bezahlten Job haben. Diese Stabilität fühlt sich manchmal gut an, aber oft spüre ich auch einen starken Freiheitsdrang und eine Neugierde auf Neues – das lässt mich manchmal zweifeln. Gleichzeitig stecke ich mitten in der rush hour des Lebens. Die Kinder fordern uns stark und mit jeder ihrer Entwicklungsphasen müssen wir uns als Familie wieder neu finden.

In meiner Jugend war ich einige Jahre Leistungssportlerin – in diesem Umfeld kamen Drogen nicht in Frage. Wir haben viel getrunken und gesnust. Aber selbst Kiffen lag wegen der Dopingkontrollen nicht drin. Auch als ich mit dem Sport aufhörte, kam ich nie mit Substanzen in Berührung. Bis jetzt.

Mein Freundeskreis entdeckte Psychedelika zu der Zeit, als mein erstes Kind zur Welt kam. Ich beobachtete das neugierig aus der Ferne, war aber selbst in einem ganz anderen Film. Vor einigen Monaten war ich mit meinen Freunden im Ausgang. Ich war müde, aber fest entschlossen, trotz Kleinkind endlich mal wieder Party zu machen. Felix, der Götti meines Sohnes, bot mir von seinem LSD-Spray an. Ich stellte ihm viele Fragen, die er geduldig beantwortete.

Microdosing würde mich vor allem wach machen, erklärte er mir. Das war natürlich genau das richtige für mich! Es würde sich leicht angeknipst anfühlen, eher wie angetrunken, sagte er. «Also gut», dachte ich mir.

Felix hatte mit allem recht. Ich fühlte mich hellwach, glücklich und gleichzeitig klar im Kopf. LSD machte mich viel fröhlicher und gelöster als Alkohol. Als ich morgens um sechs mit dem Velo nach Hause fuhr, hatte ich ein grosses Lachen im Gesicht. Zuhause lief ich direkt meinem kleinen Sohn in die Arme, der gerade aufgestanden war. Ich machte ihm Frühstück, fühlte mich dabei noch immer topfit und absolut zurechnungsfähig. Nur kurz hatte ich ein schlechtes Gewissen, auf LSD mein Kleinkind zu betreuen.

In den nächsten Stunden und Tagen ging es mir hervorragend. Nie wieder würde ich Alkohol trinken! Das war tausendmal besser! Ich war begeistert. Kein Kater und eine viel positivere Grundstimmung. Und diese Wachheit! Ich besorgte mir einen eigenen Spray. Wenn ich seither so drei oder viermal im Jahr in den Ausgang gehe, microdose ich fast immer.

Mich würde es reizen, einmal eine stärkere Dosis LSD zu probieren. Ich glaube, das würde mir eine Tür zu einer neuen Welt öffnen. Eine andere Tür habe ich allerdings schon einmal aufgemacht – und das hat mich weit mehr herausgefordert, als ich jemals gedacht hätte.

Es war in einer Berghütte, an einem Fest von Freunden. Einige von ihnen nahmen zusammen MDMA. Ich kannte viele von ihnen gut. Trotzdem zögerte ich. Ich wusste wenig. Nur, dass MDMA emotional machte. Karin, eine Bekannte von mir, machte mir schliesslich Mut: «Mach das, Luca», sagte sie. «Es ist wirklich toll.» Karin hat selbst drei Kinder und ich nehme sie als sehr verantwortungsbewusst wahr. Das nahm mir die letzten Zweifel. Ich nahm 100 Milligramm. Später nochmals 30 dazu. Ich stellte mir vor, dass die Wirkung wie eine Ohrfeige einsetzen würde, aber sie kam ganz sanft und langsam.

Ich mache mir viele Gedanken darüber, wie ich auf andere wirke oder was andere mit ihren Worten meinen. Das alles hat komplett abgestellt. Die Idee, «im Moment zu sein», hat während dieser Stunden eine ganz andere Bedeutung gewonnen. Es fühlte sich befreiend und unendlich offen an. Ich konnte so gut atmen! Alle suchten Körperkontakt, wir umarmten einander oder kuschelten auf einem Sofa. Mich erstaunte, wie leicht es uns plötzlich fiel, unsere Bedürfnisse auszudrücken. Man konnte einfach sagen: «Oh warte, das mag ich nicht.» Und der andere antwortete: «Klar, das verstehe ich», und zog sich lächelnd zurück. Nichts war awkward. Es war sehr viel Verständnis und Wohlwollen zwischen uns.

Und dann kam der Fall.

Es passierte nicht sofort. Das Herunterkommen war eigentlich schön. Ich genoss die Natur, ging irgendwann ins Hotel zurück, spazierte durch die Nacht und fühlte mich ganz ruhig und zufrieden. Am nächsten Tag war ich noch immer völlig überwältigt. Das komische Gefühl kam erst auf dem Heimweg. Ich sass mit einer Familie, die auf einem Ausflug war, in der kleinen Gondel, die mich vom Berg hinunter brachte. Sie sprachen über alltägliche Dinge: Was sie heute kochen würden und dass die Kinder nicht die Fensterscheiben mit Butter vollschmieren sollten.

Ich sass da, hörte zu und bekam fast keine Luft mehr! Ich fühlte mich eingesperrt in dieser Kabine, aber auch im alltäglichen Leben. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich zurück in meinen Alltag musste, zurück zu meinen Kindern, zurück in die rush hour. Dass ich morgen wieder vor meiner Klasse stehen werde. Dass ich davor noch schnell meine Tochter in der Kita abliefern musste. Die Vorstellung schnürte mir die Kehle zu. Mein ganzer Körper fühlte sich beklemmt an. Ich bekam Panik.

Diese Familie in der Gondel sass in einer schrecklich banalen Käfigwelt. Meine Freunde und ich hatten gerade einige Tage auf einer traumhaften Wolke verbracht. «Wenn ihr nur wüsstet, was es noch gibt», dachte ich. Am Bahnhof stand ich in der Halle, die Leute hetzten an mir vorbei und ich fragte mich: «Was um Himmels Willen machen wir hier eigentlich?»

Die nächsten Wochen verbrachte ich in einem eigenartigen Zustand. Meine Schulklasse kam mir zu laut vor und das Licht im Schulzimmer viel zu hell. Ich fand keinen Zugang mehr zu der Welt, zu der ich vorher selbstverständlich gehört hatte. Ich wünschte mir so sehr, endlich mal wieder einen Zeitungsartikel zu lesen und triviale Fragen spannend zu finden, zum Beispiel: Soll Basel einige Parkplätze abbauen? Solche Dinge kamen mir völlig belanglos vor. Um mich herum gaben sich alle mit dieser Banalität zufrieden – und waren scheinbar glücklich damit. Ich stand da und dachte nur: Warum seid ihr alle so bescheiden? Es gibt doch noch so viel mehr!

In dieser Zeit durchlief ich das Wahlverfahren an meiner Schule. Eigentlich wartete ich jeden Tag darauf, dass mich jemand auf meinen seltsamen Zustand ansprechen würde. Aber niemand sagte etwas. Offenbar funktionierte ich gegen aussen ziemlich normal. Mit meinen Kindern konnte ich mich in dieser Zeit recht gut ins Spiel vertiefen. Da bist du einfach im Moment. Das ging recht gut. Aber wenn wir als Familie beim Znacht sassen, merkte ich, dass mich das nicht mehr glücklich machte. Nicht mehr so wie früher.

Unser ganzes Leben war dieser Banalität zum Opfer gefallen.

Erst jetzt, fünf Monate später, geht es mir langsam besser. Meine These zu dem, was in den letzten Monaten geschehen ist, ist die: Emotionen sind in meinem Leben immer sehr präsent – sie leiten mich durchs Leben. Menschen, die nicht so funktionieren, können das kaum nachvollziehen. Aber MDMA hat auf genau dieser Ebene eingegriffen. Und ich verlor dadurch völlig den Boden unter den Füssen. Manche Menschen können das sehr gut, dieses switchen zwischen den Welten. Ich sehe das in meinem Umfeld. Sie nehmen MDMA, entfliehen in eine Wolkenwelt und stehen am Montag wieder im Büro. Für mich wird das vielleicht immer schwierig bleiben.

Ob ich jemals wieder MDMA nehme? Ich denke schon. Es war zu toll, um es nie wieder zu machen. Aber ich muss mir gut überlegen, wie. Und nach dem Trip will ich mindestens eine Woche Zeit einplanen, um behutsam wieder in den Alltag zurückzukehren.

Text: Elle
Bild: KI-generiert von Levin

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