Carmen
, 53

IV-Rentnerin, Oensingen SO

Ich habe eine lange Leidensgeschichte hinter mir. Schon früh spürte ich, dass ich anders funktionierte als die meisten Menschen. Ich lebe mit meinen vier Hunden in Oensingen im Kanton Solothurn. Sie sind meine Familie. Meine Eltern starben früh und mit meinen beiden älteren Schwestern habe ich kaum Kontakt. Ich habe gute Freundinnen, die sind meine Wahlfamilie. Aber ich habe seit 19 Jahren keinen Partner und möchte auch keinen mehr.

Ich bin kaufmännische Angestellte und hatte immer Mühe, in der Leistungsgesellschaft zu bestehen. Ich bin hochsensibel und fühle mich schnell überfordert. Für die Geschäftswelt bin ich zu langsam und ich nehme immer alles zu genau. Zwischenmenschlich war es am Arbeitsplatz auch oft schwierig. Ich habe Mühe, wenn mir jemand widerspricht und ertrage Diskussionen schlecht. Mit Tieren kann ich es besser als mit Menschen. In der Natur fühle ich mich zu Hause. Mein Traum wäre es, einen Gnadenhof für alte Hunde zu führen.

Ich hatte schon immer psychische Probleme. Es ist sehr schwierig für jemanden wie mich, in unserer Gesellschaft zu bestehen – besonders in der Schweiz. Das hat mich zu einem suchenden Menschen gemacht. Weil ich nie Vollzeit arbeiten konnte, war das Geld immer knapp, aber ich habe viel Geld in mein spirituelles und psychisches Wohlergehen investiert. Ich habe viel probiert. Nur bei einer Psychotherapie war ich nie. Ich mag es nicht, wenn mir jemand sagt, was ich zu tun habe, oder was falsch mit mir ist. Deshalb liebe ich psychoaktive Substanzen. Sie zeigen dir Antworten, die in dir selbst drin sind.

Ich habe in meinem Leben ungefähr 15 bis 20 Trips erlebt. Alle fanden in rituellem Rahmen statt. Die allermeisten Reisen erlebte ich in Basel bei einem Paar, das mit Substanzen arbeitet. Eine Freundin hatte mir von ihrer Ayahuasca-Reise erzählt und ich wusste sofort, dass ich das ausprobieren wollte. Meine erste Reise war anstrengend. Mein Körper war vom Hals abwärts wie gelähmt und ich konnte mich stundenlang nicht bewegen. Dafür erlitt ich eine richtiggehende Gähn-Attacke. Ich gähnte und gähnte, wendete den Kopf hin und her – stundenlang.

Ich denke, das war eine Art Systementlastung. In meinen Gedanken passierte nicht viel, aber das ist bei mir immer so. Wenn ich mit meinen Hunden spazieren gehe oder abends im Bett liege, passiert bei mir im Kopf auch nichts. Ich denke sehr selten nach. Meistens bin ich einfach und höre in mich hinein.

MDMA ist meine Lieblingssubstanz. Mein erstes Erlebnis war in einer Gruppe, auch wieder bei denselben Leuten in Basel. Seltsamerweise fühlte ich mich dabei fast nüchtern. Alle waren high, aber ich war absolut klar. Die Leiterin sagte mir, dass das an mir liege. MDMA ermöglicht Menschen freien Zugang zu ihren Gefühlen. Aber für mich ist das ganz normal. Ich bin wie eine Schlange, die über ihre Haut alles aufnimmt. Alle Eindrücke dringen ungefiltert in mich hinein. Im Alltag ist das sehr schwierig für mich, aber gerade darum fühle ich mich im Zustand von MDMA zuhause. Da fühle ich mich endlich natürlich und gut.

Schlimm ist für mich, wenn die Wirkung abflaut. Ich werde dann richtig wütend, weine und schreie. Ich will nicht zurück in die Welt, in der es mir so schwerfällt, zu existieren. Auf MDMA kann ich so sein, wie ich bin. Ich musste lernen zu akzeptieren, dass diese Reisen auch wieder aufhören. Heute kann ich das besser.

In den meisten Sessionen habe ich LSD probiert. Einige seltene Male auch Pilze. Das sind für mich immer herausfordernde Erlebnisse. Ich kann gar nicht so recht sagen, was ich daraus mitnehme. Ich denke währenddessen nicht sehr viel. Meistens bleiben einzelne Sätze zurück, die sich mir einbrennen. Einmal kam auf einem Trip die Erkenntnis, dass ich der Welt auch das sagen muss, was sie nicht hören will. Das hat mich fast erschlagen. Bis heute schaffe ich das nicht. Dieses Hinstehen fällt mir schwer. Trotzdem übe ich das dank der Substanzen. Wenn jemand während eines Trips auf meiner Matte liegt, kann ich inzwischen sagen: Geh bitte weg, ich möchte mich hinlegen. Das konnte ich früher nicht.

Mit 24 Jahren habe ich einen Suizidversuch gemacht. Das ist schon lange her, aber vor einigen Jahren bin ich auf einer Reise einem Wesen begegnet. Das sagte mir: Entscheide dich, ob du gehen oder bleiben willst. Da realisierte ich, dass das Thema für mich noch nicht abgeschlossen ist. Und in diesem Moment entschied ich mich, zu bleiben. An diese Entscheidung erinnere ich mich oft. Das hilft mir im Alltag.

Ich trinke schon lange ziemlich viel Alkohol. Alkohol gönne ich mir, um mir das Leben zu verschönern. Eine Flasche pro Tag kann es schon sein. Ich kann jederzeit aufhören. Wenn ich fasten gehe, trinke ich locker ein paar Tage nicht. Oder ich mache auch so mal einen Tag Pause. Aber Alkohol macht das Leben leichter, warum also aufhören? Mit Süssem ist es ähnlich. Ich ernähre mich, genau genommen, nur von Süssem. Es macht mir Freude. Nur mit den psychoaktiven Substanzen mache ich seit einigen Jahren Pause – wegen der Psychopharmaka, die mir der Psychiater verschrieben hat. Da habe ich zu grossen Respekt. Aber ich werde sicher irgendwann wieder damit anfangen.

Mein letzter Job war am Empfang eines Pflegeheims. Seit einigen Wochen habe ich endlich meine IV-Rente zugesprochen bekommen. Das ist sehr erlösend. Für die Arztzeugnisse musste ich nun doch zu einem Psychiater. Ich habe ihm von den Substanzen erzählt. Er reagierte gelassen und fragte mich, ob sie mir helfen. Ich sagte ja.

Mit Freundinnen rede ich auch ganz offen über meinen Konsum, damit habe ich noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Am liebsten würde ich einmal mit ein paar vertrauten Menschen in der Natur konsumieren. Aber ich kenne fast niemanden, der auch konsumiert. Und ich weiss nicht, wo ich Substanzen finden könnte. Keine Ahnung, wo man das herbekommt. Kiffen würde ich gerne. Nur ein bisschen vor dem Schlafengehen, weil ich so fest mit den Zähnen knirsche im Schlaf. Aber Gras habe ich auch nicht. Weisst du, wo ich Gras finden könnte?

Text: Elle
Bild: KI-generiert von Levin

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